Adolf Hitler ist kein Ehrenbürger der Stadt Gladbeck mehr. Einstimmig erkannte der Rat der Stadt dem Nazi-Diktator posthum die Ehrenbürgerschaft ab.
Ein VHS-Diskussionsabend gab den erneuten Anstoss zu dieser Entscheidung. Teilnehmer der VHS-Veranstaltung „Gladbeck unterm Hakenkreuz“ kritisierten die weiterhin bestehende Ehrenbürgerschaft Hitlers.
Zugleich wurde auch dem zweiten Ehrenbürger Gladbecks, Ex-Reichspräsident Paul von Hindenburg, die Ehrenbürgerschaft aberkannt.
Bürgermeister Ulrich Roland sagte dazu (es gilt das gesprochene Wort):
"Meine sehr geehrten Damen und Herren,
sehr geehrte Mitglieder des Rates,
am Montag haben wir uns aus Anlass des 100. Jahrestages der Einweihung dieses Hauses bereits intensiver mit seiner wechselhaften Geschichte beschäftigt.
In diesen 100 Jahren haben gewählte oder benannte Vertreter der Bürgerschaft über die Geschicke unserer Stadt diskutiert.
Sie haben wichtige Beschlüsse gefasst. Viele haben die Entwicklung unserer Stadt zum Guten beeinflusst. Manche waren falsch.
Mit meinem Schreiben an die Fraktionen des Rates vom 8. Oktober 2010 habe ich angeregt, heute noch einmal über einen Beschluss zu sprechen,
- der eindeutig falsch war und
- der die Entwicklung unserer Stadt genauso eindeutig nicht zum Guten beeinflusst hat:
Die Verleihung der Ehrenbürgerschaft am 7. April 1933 an den damaligen Reichskanzler Adolf Hitler.
Dieser Beschluss wurde einstimmig von den anwesenden Stadtverordneten gefasst. Nicht anwesend waren ein Mitglied des Zentrums sowie die demokratisch gewählten sozialdemokratischen und kommunistischen Mitglieder des Rates.
Aber auch wenn sie anwesend gewesen wären, hätten sie den Beschluss nicht verhindern können.
Denn: Die Nationalsozialisten hatten bei der Wahl am 12. März 1933 zwar nur 26,95 % der Stimmen bekommen.
Zusammen mit dem katholischen Zentrum, der Kommunalen evangelischen Vereinigung und der Kampffront Schwarz-Weiß-Rot verfügten sie aber über eine klare Mehrheit der Stadtverordneten.
Und so stimmte man gemeinsam für Adolf Hitler als neuen Ehrenbürger der Stadt Gladbeck. Dieser Beschluss ist und bleibt eine Schande für unsere Stadt.
Diese Schande ist durch keinen Beschluss eines nachfolgenden Rates unge-schehen zu machen. Darum geht es heute aber auch nicht.
Der Rat unserer Stadt hat sich in der Vergangenheit mehrfach mit der Verleihung der Ehrenbürgerschaft an Adolf Hitler beschäftigt.
Von einer posthumen Aberkennung der Ehrenbürgerschaft ist stets abgesehen worden.
Unzweifelhaft war aber immer, dass keiner der nach 1945 gewählten Räte unserer Stadt versucht hat, die Ehrenbürgerschaft von Adolf Hitler zu rechtfertigen.
Im Gegenteil, auch durch Initiativen aus diesem Hause ist in den vergangenen Jahrzehnten die Geschichte Gladbecks unterm Nationalsozialismus in vorbildlicher Weise aufgearbeitet worden.
Und der Rat dieser Stadt hat sich, der in der Anlage beigefügte Beschluss des Jahres 1983 belegt dies eindrucksvoll, sehr sensibel, sehr differenziert mit der Frage der Ehrenbürgerschaft Adolf Hitlers auseinandergesetzt!
Ich zitiere:
„Ungleich stärker als die Ehrenbürgerschaft bewegt uns das unaus-sprechliche Leid, das Hitler, seine Helfershelfer und auch die unzähligen Mitläufer über die Menschheit gebracht haben.“
Dieser Satz hat bis heute nichts von seiner Aktualität verloren! Vor diesem Hintergrund gibt es in unserer Stadt eine intensive Auseinanderset-zung mit den nationalsozialistischen Verbrechen und dem im Nationalsozialismus wurzelnden braunen Ungeist, der bis in die Gegenwart reicht.
Und wir erinnern auf Straßen und Wegen, auf Plätzen und an städtischen Ge-bäuden, an Schulen und Orten des Gedenkens an Menschen,
- die Opfer des Nationalsozialismus wurden,
- die gegen den Nationalsozialismus gekämpft haben.
Meine sehr geehrten Damen und Herren,
wenn ich mit meinem Schreiben angeregt habe, heute die an den damaligen Reichskanzler Adolf Hitler verliehene Ehrenbürgerschaft symbolisch posthum abzuerkennen, dann ist dies im Wissen geschehen, dass eine solche Aberkennung rechtlich keine Auswirkungen hat.
Wir wissen doch alle, dass eine Ehrenbürgerschaft mit dem Tod erlischt. So wurde in einem Runderlass des Reichs- und Preußischen Ministers des Inneren vom 12. Januar 1936 festgelegt:
„Das Ehrenbürgerrecht ist ebenso wie das Bürgerrecht ein reines Persönlichkeitsrecht. Es erlischt daher mit dem Tode des Trägers von selbst.“
Und auch die heute gültige Gemeindeordnung legt unzweifelhaft fest, dass das Ehrenbürgerrecht mit dem Tode des Beliehenen erlischt. Die entsprechende Stelle des einschlägigen Kommentars zur Gemeindeordnung ist in dem Ihnen vorliegenden Antrag benannt.
Aber auch darum geht es heute nicht. Es gibt, ob berechtigt oder unberechtigt, immer wieder Nachfragen und Missverständnisse über die Ehrenbürgerschaft Adolf Hitlers. Junge Menschen fragen mich: „Ist es wirklich richtig, dass Hitler Ehrenbürger unserer Stadt ist?“
Vor diesem Hintergrund ist es mir ein Anliegen, durch die symbolische posthume Aberkennung der Ehrenbürgerschaft Adolf Hitlers deutlich zu machen, dass sich die Stadt Gladbeck, vertreten durch ihren demokratisch gewählten Rat, eindeutig von dem Beschluss der 1933 gewählten Stadtverordnetenversammlung distanziert.
Wir machen diesen Beschluss damit nicht ungeschehen. Wir können die damit verbundene Schande nicht aus der Geschichte unserer Stadt tilgen.
Wir wollen damit ausdrücklich auch nicht den Eindruck erwecken, dass der Nationalsozialismus und seine auch in Gladbeck begangenen Verbrechen durch einen solchen Beschluss zu tilgen seien.
Dennoch ist dieser Beschluss richtig!
Meine sehr geehrten Damen und Herren des Rates der Stadt Gladbeck,
Hitler wurde durch die Nazis und ihre Helfershelfer in Tausenden Städten und Gemeinden zum Ehrenbürger gemacht. In Aachen und Aichach genauso wie in Berlin, Gladbeck, Düsseldorf, München und Zwickau.
Eine entsprechende Liste aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie ist Ihnen zugegangen.
Gladbeck fehlt übrigens darin.
Die Liste zeigt, wie mit dieser Ehrenbürgerschaft nach 1945 umgegangen wur de:
- Danach wurde in Aichach Hitler am 6.11. 1945 aus der Ehrenbürgerliste gestrichen.
- In Zwickau geht man davon aus, dass das Ehrenbürgerrecht mit dem Tod erlischt.
- In Düsseldorf wurde Hitler 2000 durch einstimmigen Beschluss - ohne jede Diskussion - die Ehrenbürgerschaft aberkannt.
Die Beispiele anderer Städte zeigen: Es gibt nicht den einen richtigen allgemeingültigen Weg des Umgangs mit die-ser historischen Schande!
Ich glaube, dass die heute Ihnen vorgeschlagene posthume symbolische Aberkennung eine gute Ergänzung, vielleicht für den einen oder anderen eine wichtige Klarstellung ist.
Ich möchte Sie daher bitten, in der folgenden Diskussion Ihr Augenmerk nicht auf eine mögliche juristische Bewertung dieses Vorgangs zu richten.
Heute geht es um ein klares moralisches Signal dieses Hauses. Ich möchte Sie bitten, dem Beschlussentwurf der Verwaltung einstimmig zu folgen.
Ein letzter Satz: Ich habe davon gesprochen, dass wir auch durch die Namen städtischer Schulen an Opfer des Nationalsozialismus, an Widerstandskämpfer erinnern.
Bis 2000 haben wir mit der Geschwister Scholl-Schule am Rosenhügel auch die Erinnerung an Hans und Sophie Scholl und „Die Weiße Rose“ lebendig gehalten. Durch die Zusammenlegung von zwei Schulen ging dieser Name leider verloren.
Ich möchte Hans und Sophie Scholl, die über Jahrzehnte in Gladbeck eine Heimat hatten, in unsere Stadt zurück holen. Ich rege daher an, baldmöglichst eine Straße, einen Platz oder ein wichtiges Gebäude unserer Stadt nach ihnen zu benennen.
Hans und Sophie Scholl können nicht nur jungen Menschen ein Vorbild für Zivilcourage sein.
Ich danke Ihnen."