Gedenkensemble am Ehrenmal in Wittringen

Ehrenmal
Der Landwehr- und Kriegerverein Gladbeck beschäftigte sich bereits 1895 mit der Errichtung eines Denkmals für die gefallenen Soldaten der Befreiungskriege gegen Napoleon (1813-1815) und des Deutsch-Französischen krieges 1879/1871. Der Entwurf wurde jedoch nicht weiter verfolgt, die gesammelten Gelder reichten für eine Umsetzung nicht aus. Nach dem Ersten Weltkrieg - im Zuge der überall erbauten Denkmäler - wurde 1926 ein Zweckverband zur Errichtung eines Ehrenmals gegründet und 1929 ein Ausschuss einberufen. Der Stadtbaurat Richard Korn entwarf 1930 den runden Ehrenhof, mit dessen Bau 1933 begonnen wurde. Dafür setzte die Stadt arbeitslose Fürsorgeempfänger ein, um Kosten zu sparen. Im Innern trug das Denkmal aus Ruhrsandstein ursprünglich den Spruchfries:
"1914-1918 Zur Ehre der Toten des Krieges,
zum Ruf für Geschlechter des Sieges."
Die zweite Zeile wurde nach dem Zweiten Weltkrieg beseitigt und durch die Jahreszahlen 1939-1945 ersetzt. An die Stelle der steinernen Opferflamme auf dem Gedenkstein in der Mitte wurde 1943 der Kriegerkopf des Berliner Bildhauers Paul Bronisch platziert.

Der Entwurf des Ehrenmals von Stadtbaurat Richard Korn 1930 
Der Entwurf von Stadtbaurat Richard Korn 1930 (
Quelle: Stadtarchiv Gladbeck)



Das Ehrenmal im Wittringer Wald
Das Ehrenmal nach seiner Fertigstellung
(Quelle: Stadtarchiv Gladbeck)


Die Grundsteinlegung fand am 15. Juni 1933 statt, die Einweihung des fertigen Denkmals am 17. Juni 1934 mit großem NS-Pomp. Die Nationalsozialisten verfolgten ideologische und propagandistische Zwecke mit dem Ehrenmal. Hier sollte der 1934 eingeführte "Heldengedenktag" begangen und eben nicht nur der Toten des Ersten Weltkrieges gedacht werden, sondern auch der NSDAP-Mitglieder, die beim Hitlerputsch am 9.11.1923 in München umgekommen waren. Das Ehrenmal umfasst zudem nicht nur Gefallene des Ersten Weltkrieges und der vorangegangenen Kriege, sondern auch den 1930 ermordeten Nationalsozialisten Heinz Oetting. Er nahm als evangelischer Theologiestudent am 10.9.1930 an einer Kundgebung der NSDAP in Essen teil und wurde auf dem Heimweg erstochen. Seitdem galt er als Held der nationalsozialistischen Bewegung, der im Kampf für die aufstrebende NSDAP gewaltsam umgekommen war.

Die Diskussion um eine Erneuerung der Namenstafeln sollte uns vor diesem Hintergrund daher zu einem kritischen Umgang veranlassen.
Die Recherchen des Stadtarchivs haben außerdem ergeben, dass die Namenstafeln nicht alle Gladbecker Gefallenen umfassen und dazu Soldaten aufführen, die den Ersten Weltkrieg nachweislich überlebt haben.
Anhand der Sterberegister des Standesamtes, der Sterbeanzeigen, Nachrufe und Kurzmitteilungen in der Gladbecker Zeitung, der Sammlung von Totenzetteln, Einwohnermeldekarten, Adressbücher, Unterlagen des Friedhofs, der Kirchenbücher und weiterer Dokumente im Pfarrarchiv St. Lamberti sowie die im Internet veröffentlichten Vermissten- und Verlustlisten konnten nun 1.715 namentlich bekannte Gladbecker Gefallene ermittelt werden. Sie sind über die Datenbank recherchierbar. Diese erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Ergänzungen können Sie gerne an das Stadtarchiv melden.


Link zur Datenbank der Gefallenen des Ersten Weltkrieges


Außerdem enthält das Ehrenmal folgende Namen von Gefallenen der Befreiungskriege (1813-1815) und des Deutsch-Französischen Krieges (1870-1871):

Befreiungskriege:
- Hermann Cleve, geboren 1788, Musketier im Kolberger Infanterie-Regiment, starb am 29.8.1815 infolge seiner Verwundung bei Namur.

Deutsch-Französischer Krieg:
- Heinrich Breilmann, aus Rentfort, Pionier, erschossen;
- Hermann Heselmann, aus Rentfort, Infanterist, gefallen am 17.8.1870 bei Ars sur Moselle (Frankreich);
- Hermann Lommert genannt Allkemper, aus Rentfort, Infanterist, gefallen;
- Wilhelm Küper, Infanterist, gefallen beim Sturm auf Spichern (Frankreich, Schlacht bei Spichern am 6.8.1870);
- Franz Schulte Rentrop, Infanterist, gestorben im Lazarett Düsseldorf an Typhus.




Seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges bis heute wurde das Ehrenmal zu einem Gedenkensemble erweitert, um an alle Opfergruppen vorangegangener Kriege zu erinnern und der Verherrlichung von Gewalt und Krieg entgegenzuwirken. Dazu zählen neben der 1952 am Ehrenmal angebrachten Tafel zum Gedenken an die Kriegsgefangenen und Vermissten des Zweiten Weltkrieges:


Denkmal für die Opfer des Krieges und der Gewalt
Nach eingehender Diskussion wurde 1987 ein Mahnmal für alle Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft als Kontrast zum Ehrenmal errichtet. Die vier Mether hohe Stele aus Edelstahl entwarf der ehemalige Baurat Gerhard Hartmann. Eingraviert sind Auszüge aus der Rede des ehemaligen Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker am 8. Mai 1985 anlässlich des 40. Jahrestages der Beendigung des Zweiten Weltkrieges.
Vor der Stele findet jährlich am 9. November eine Gedenkveranstaltung zur kollektiven Erinnerung an die Opfer des Zweiten Weltkrieges und als Mahnung für die Zukunft statt.


Gedenkzeichen für die Deserteure des Zweiten Weltkrieges
Der Rat der Stadt Gladbeck beschloss am 10.9.1998 die Errichtung eines Gedenkzeichens für die Deserteure des Zweiten Weltkrieges. Die Steinpyramide aus Ruhrsteinquadern, die aus demselben Steinbruch stammen wie die des Ehrenmals, wird ergänzt durch eine kleine Bodenplatte mit folgender Inschrift:
"Nicht aus der Furcht vor dem Tode,
sondern aus dem Willen zum Leben." (Alfred Andersch)
Aufgrund der Erfahrung mit dem Nationalsozialismus:
Den Deserteuren, die sich aus Gewissensgründen dem Kriegsdienst für Gewaltherrschaft verweigert haben und dafür verfolgt, getötet und verleumdet wurden.
Die Einweihung des von Heinrich Hüwel, dem ehemaligen Leiter des Hochbauamtes, entworfenen Denkmals fand am 8.5.1999 statt.


Historische Orte in Gladbeck: Bücherverbrennung
Am 1. Juli 1933, dem Vorabend des "Festes der deutschen Schule", fand unter der Leitung der Hitlerjugend auf der Wiese hinter dem Ehrenmal eine Bücherverbrennung statt. Zur mahnenden Erinnerung wurde 2014 eine Informationstafel aufgestellt.


Einweihung des Denkmals für die Opfer des Krieges und der Gewalt am 8. Mai 1987.
Einweihung des Denkmals für die Opfer des Krieges und der Gewalt
am 8. Mai 1987.  (Quelle: Stadtarchiv Gladbeck)



Katrin Bürgel


Quellen:
- Stadtarchiv Gladbeck, S 60, Zeitungsartikel zum Ehrenmal
- Gladbecker Volkszeitung

Literatur:
- Bürgel, Katrin / Tewes, Ludger: "Auf ein frohes Wiedersehen, liebe Mutter." Kriegskultur und Erfahrungshaltung im westfälischen Amt Gladbeck 1914-1918. Essen 2016.
- Bürgel, Katrin: Die Gladbecker Gefallenen des Ersten Weltkrieges. In: Gladbeck unsere Stadt 43(2016), Heft 3, S. 36-40.
- Mahnung zum Frieden. Dokumentation über die Einweihung eines Mahnmals am Ehrenmal in Wittringen 8. Mai 1987, Hrsg. Stadt Gladbeck, Gladbeck 1987.
- Novemberreden. Gedenkveranstaltungen zum 9. November 1938 in Gladbeck 1988-2011, Hrsg. Stadt Gladbeck, Gladbeck 2012.
- Oberröhrmann, H.: Das Gladbecker Ehrenmal und sein Erbauer. In: Gladbeck unsere Stadt 5(1977), Heft 1, S. 12-15.
- Samen, Manfred: "In memoriam". Die Plastik inmitten des Ehrenmals. In: Gladbeck unsere Stadt 31(2003), Heft 3, S. 32-33.
- Wijsenbeek, Dinah: Denkmal und Gegendenkmal. Über den kritischen Umgang mit der Vergangenheit auf dem Gebiet der bildenden Kunst. Münden 2010, S. 135-149.
- Ziesing, Dirk: Mit Gott für König und Vaterland. Geschichte des 1. Westfälischen Landwehr-Infanterie-Regiments 1813-1815, Münster 2015, S. 55 zu Hermann Cleve.

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